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Kein Ersatz für die Vereinten Nationen - Nur die Weltorganisation garantiert den Entwicklungsländern eine Stimme

4. Juni 2009
Von Barbara Unmüßig
Von Barbara Unmüßig

Alle sind sich einig: Die G20 sind besser als die G8. Endlich wird die gewachsene Wirtschaftsmacht von Ländern wie Brasilien, China, Indien und Südafrika wenigstens in diesem neuen informellen Gremium abgebildet. Das aktuelle Krisenmanagement verdeutlicht: Die reichen Länder zeigen eine gewisse Bereitschaft zum kooperativen Handeln, und es wird neue Regeln für den globalen Finanzmarkt geben, wenn auch keine grundlegende Reform der Weltfinanz- und Handelsordnung.

Weniger aufmerksam als das Management der Weltwirtschaftskrise verfolgt die Öffentlichkeit, dass sich in der globalen Klima-Politik eine neue Entwicklung abzeichnet. Die UN-Klimagespräche in Bonn im April waren erneut eine frustrierende Angelegenheit. Es gibt wenige Monate vor dem Kopenhagen-Gipfel keinen Fortschritt bei den umstrittenen Themen. Im Gegenteil: Die Verhandlungen werden immer technischer und komplizierter. Gebraucht wird aber ein klimapolitischer Durchbruch zwischen den Hauptprotagonisten in Nord und Süd.

Längst gilt deshalb auch in der Klimapolitik ein anderes Forum als die Vereinten Nationen als zentral für einen politischen Deal: Das Major Economies Forum (MEF) mausert sich zu einem neuen informellen Klimaclub. Präsident George W. Bush hat es erfunden (noch unter anderem Namen), und auch sein Nachfolger Barack Obama setzt darauf. Allerdings proklamiert die Obama-Administration das Forum als unterstützend für den UN-Prozess und nicht als Alternative, wie zu Busch-Zeiten. Dem Forum gehören 17 Länder an – alle G20-Mitglieder außer der Türkei, Saudi-Arabien und Argentinien. Sie repräsentieren rund 80 Prozent der globalen Kohlendioxidemissionen – so wie die G20 für 80 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung steht.

Ist das MEF besser als die Vertragsstaatenrunde der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC)? Das Forum hat angesichts der Blockaden im UN-System durchaus seine Berechtigung. Andererseits steht zu befürchten, dass in dem exklusiven Club für die ärmeren Länder wichtige Themen wie Finanzierung des Klimaschutzes im Süden und Anpassung an den Klimawandel eher an den Rand gedrängt werden. Ganz vom Tisch fallen werden sie jedoch nicht, da auch die größten Emittenten wissen, dass sich die ärmeren Entwicklungsländer in der Klimakrise nicht mehr mit kleinen Beruhigungshäppchen abservieren lassen, sondern wirkliche Kompensationen fordern.

Der politische Hoffnungsanker der Armen bleiben dennoch die UN. Diese melden sich derzeit mit radikalen Vorschlägen und internationalen Konferenzen zurück. So fordert die UN-Kommission zur Finanzkrise unter dem Nobelpreisträger Joseph Stiglitz einen neuen UN-Wirtschaftsrat. Und in den Klimarunden der Vereinten Nationen fordert eine neue Gruppe von armen und vom Klimawandel besonders betroffenen Ländern die radikalsten CO2-Reduktionen vom industrialisierten Norden – über 95 Prozent bis 2050.

Man darf sich jedoch nicht der Illusion hingeben, in den sich derzeit herausbildenden Strukturen globaler Regierungsführung würden alle alten Machtasymmetrien verschwinden. In neuen Gremien wie G20 und MEF werden die politischen Weichen für eine künftige Finanzarchitektur gestellt und Entscheidungen für eine globale Übereinkunft für den Klimaschutz vorbereitet. Politische Kompromisse in kleinen Runden bleiben an der Tagesordnung und damit leider auch der Ausschluss großer Bevölkerungsmehrheiten.

Die Vereinten Nationen bleiben die Garantin dafür, dass die Armen und Ärmsten der Welt eine Stimme haben und – mit den Worten von Stiglitz – mehr als eine Fußnote der Weltwirtschaft und Weltpolitik sind. Schließlich: Der Club der G77 plus China wird für die Schwellenländer schon aus taktischen Gründen ein zentraler Ort der Meinungs- und Positionsbildung bleiben – trotz ihrer Mitgliedschaft in der G20 und dem MEF. Stärkster Trumpf der Vereinten Nationen ist zudem, dass sie der einzige Ort für völkerrechtlich verbindliche Absprachen sind.

Die G20 und das MEF sind politisch handlungsfähigere und stärker legitimierte Einrichtungen als der alte G8-Club – von dem in Klimafragen derzeit nicht viel zu erwarten ist. Das könnte ein Fortschritt für mehr Regulierung und Klimaschutz sein. Sie sind aber kein Ersatz für demokratische Reformen im Internationalen Währungsfonds, in der Weltbank und anderen globalen Institutionen oder Fonds. Und erst recht bedeuten sie nicht, dass politische Einmischung und Druck auf die Regierungen nicht mehr nötig wären – sei es von Seiten der UN, demokratisch legitimierter Parlamente oder der globalen Zivilgesellschaft.


Barbara Unmüßig ist Mitglied des Vorstands der Heinrich-Böll-Stiftung

Der Kommentar erschien zunächst in leicht veränderter Form bei welt-sichten 06-2009.

 

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Barbara Unmüßig

Barbara Unmüßig ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie hat zahlreiche Zeitschriften- und Buchbeiträge zu Fragen der internationalen Finanz- und Handelsbeziehungen, der internationalen Umweltpolitik und der Geschlechterpolitik veröffentlicht.